Der Austernfischer (Haematopus ostralegus) ist ein Watvogel aus der Gattung Haematopus der als Küstenvogel überwiegend die Küsten bewohnt und auch im küstennahen Binnenland vorkommt. Besonders auffällig ist der Austernfischer einerseits durch seine schwarz und weiße Gefiederfärbung und, bei den adulten Vögeln, den roten Schnabel und korallenrote Beine sowie seine rote Iris. Auch stimmlich ist der Austernfischer bereits über größere Entfernungen, an seinem markanten schrillen und getragenen Rufen "biik" oder "kip kip kip" zu erkennen.
Das Verbreitungsgebiet des Austernfischers reicht von Nordwest- und Mitteleuropa bis nach Vorderasien und Zentralsibirien. Dazu kommen noch inselartige Verbreitungsgebiete in Nordchina und Ostsibirien. Der in Mittel- und Westeuropa hauptsächlich an der Küste beheimatete Austernfischer kommt inzwischen vermehrt auch in den Niederungen des Binnenlandes vor. So sind, teilweise auch vereinzelte, Brutpaare sehr wohl bis zu 300 km von der Küstenlinie entfernt anzutreffen.
In Nordwest- und Mitteleuropa konzentriert sich das Hauptverbreitungsgebiet des Austernfischers auf das Wattenmeer. Es wird von einem Brutbestand von 300T-450T Brutpaaren ausgegangen. Die größten Brutvorkommen befinden sich in Deutschland, Niederlande, Norwegen und in Großbritannien und Irland (Britische Inseln). Alleine in Mitteleuropa wird der Brutbestand auf ca. 112T-168T Brutpaare geschätzt, während der Winterbestand, durch die überwinternden Individuen, auf 0,9-1,1 Millionen Individuen geschätzt wird.
Grundsätzlich ist der Austernfischer ein Teilzieher, das heißt Zugbewegungen werden begonnen, wenn fallende Temperaturen ein Wegziehen erforderlich machen. So kommt es bereits im Südwesten Islands, auf den Färöer-Inseln und in Süd-Norwegen dazu, daß Austernfischer im Brutgebiet überwintern. Das Hauptwintergebiet ist das europäische Wattenmeer sowie Abschnitte der europäischen Atlantikküsten mit wattenähnlichen Abschnitten sowie Flußmündungen. So kommt es, daß Austernfischer südlich bis nach Mauretanien ziehen und teilweise sogar Gebiete im tropischen Westafrika und in Südafrika angeflogen werden.
Brutvögel aus Island und Schottland überwintern in Irland und an der britischen Westküste (Wales), jedoch bleiben die meisten Brutvögel in Großbritannien im Land, Brutvögel die den Winterzug beginnen, ziehen nach Frankreich, Spanien, Portugal und bis nach Marokko.
Die Brutvögel in den Niederlanden überwintern überwiegend im Wattenmeer und mausern auch dort, nur Teile der Population ziehen nach Südengland und andere entlang der Atlantikküste nach Spanien und Portugal und sogar bis nach Westafrika.
Aus Norwegen ziehen die Austernfischer in das deutsch-niederländische Wattenmeer und an die Küsten von Spanien und Portugal, teilweise auch an die Westküste von Großbritannien.
Die Brutvorkommen aus Nord-Russland ziehen über Finnland und Dänemark an die dänische/deutsche Nordseeküste. Auch aus Schweden ziehen die meisten Vögel an die Nordseeküste.
Brütende Austernfischer aus dem mitteleuropäischen Binnenland ziehen nach dem Flüggewerden der Jungen an die Nordseeküste.
Für den Zug der Austernfischer ist das Wattenmeer ganz offensichtlich ein Dreh- und Angelpunkt. Durchzügler verlassen das Wattenmeer ab November. Dann erfolgt wiederum ein Zuwachs durch Wintergäste zwischen Dezember und Januar. Bei strengen Wintern treten sogenannte Kältefluchtbewegungen auf, dann ziehen größere Trupps nach Westen und Südwesten.
Der Heimzug in die Brutgebiete beginnt ab Februar / März. Überwinterer an der Küste ziehen meistens erst im März. In Mitteleuropa werden die Brutplätze meistens schon zwischen Ende Januar und Anfang Februar wieder besetzt. Die große Masse der vorjährigen Jungvögel bleibt dagegen in den Winterquartieren um dort zu übersommern; wobei die Brutquartiere erstmals im vierten Sommer aufgesucht werden.
An der Küste passt sich der Austernfischer der Tide an und deckt seinen Nahrungsbedarf überwiegend während der Tagstunden. Nur wo der Nahrungsbedarf tagsüber nicht mehr gedeckt werden kann, wird diese Aktivität auch in die Nachtstunden verlegt. Bei auflaufendem Wasser verlagern sich Austernfischer auf "Hochwasserfluchtplätze", welche zum Teil sogar jahrelang beibehalten werden. Auf diesen Sammelplätzen warten die Austernfischer ab, bis wieder ablaufendes Wasser einsetzt (Ebbe). Nach dem Höchstwasserstand warten die Vögel noch 1-2 Stunden, bevor überhaupt mit dem Abflug zu den Nahrungsgründen begonnen wird.
Während der Tagzeit wechseln beim Austernfischer Aktivitätsphasen mit Ruhephasen ab. D.h., zwischen den Phasen des Nahrungssuchens werden Ruhephasen zwischengeschaltet, in denen die Austernfischer entweder ruhen oder Gefiederpflege betreiben. Besonders von Muschelbänken ist bekannt, daß Austernfischer um den Zeitpunkt des absoluten Niedrigwassers entweder eine Ruhephase einlegen oder die Muschelbank sogar ganz verlassen womit sich die Aktivitätsphasen auf Ebbebeginn und Flutende beschränken.
Austernfischer sind an Land, also zu Fu´ß, sehr mobile und agile Vögel. Das Bewegungsmuster reicht dabei vom Schreiten, über schnelles Laufen bis zum Rennen. Während der Nahrungssuche sind die Vögel permanent in Bewegung und stehen kaum einen Augenblick still. Auf der Oberfläche frei liegende Beutetiere werden visuell ausgemacht und dann gefressen. Dazu zählen auch die Siphonmündungen von Herz- und Miesmuscheln, welche dann mit dem Schnabel nach oben befördert werden. Beim Sondieren wird der leicht geöffnete Schnabel in den Boden gesteckt und durch schnelles Auf- und Abbewegen des Kopfes durchpflügt.
Nicht nur beim Fliegen, auch an Land sind Austernfischer recht mobile und agile Vögel. Besonders das Sondieren des Bodens nach Nahrung lässt sich gut beobachten. Wir haben einen Austernfischer bei der Nahrungssuche gefilmt und das Kurzvideo kann hier aufgerufen werden.
Systematische Einordnung:
Ordnung: Watvögel (Charadriiformes)
Familie: Austernfischer (Haematopodidae)
Gattung: Austernfischer (Haematopus)
Art: Austernfischer
Beschreibung:
Wissenschaftlicher Name: Haematopus ostralegus
Artname Englisch: Eurasian Oystercatcher
Artname Französisch: Huîtrier pie
Artname Niederländisch: Scholekster
Vorkommen / Verbreitung: In Europa ist der Austernfischer häufiger Brutvogel an der Küste und im küstennahen Binnenland. Häufiger Gast im Wattenmeer. Nordküste des Mittelmeeeres, sowie Vorderasien, Osteuropa und bis nach Mittelsibirien.
Auch Vorkommen bis zu 300 km entfernt von der Küste sind möglich.
Wanderungen: Teilzieher
Überwinterung: Europäische Atlantikküste, vereinzelt bis nach Afrika. Großes Mauser- und Überwinterungsgebiet des Austernfischers ist das gesamte Gebiet des Wattenmeeres.
Lebensraum: Der Austernfischer ist ein Küstenvogel. Vom Austernfischer wird offenes Gelände bevorzug, meistens ohne Vegetation, kurzgrasig; Fels-, Kiesel- und Sandstrände, findet sich in Dünen, Wattwiesen und auf Weideland. Im Binnenland meistens in Wassernähe.
Verhalten: An der Küste ist das Verhalten der Austernfischer an die Tide angepasst, wobei es zu Tag- und Nachtaktivität kommt. Austernfischer ziehen vermutlich meistens in der Nacht.
Kennzeichen: Großer Vogel mit breiter Brust und schwarz-weißem Gefieder, ähnelt in der Größe dem Kiebitz.
Austernfischer haben eine schwarze Oberseite sowie eine weiße Unterseite. Adulte Austernfischer haben zudem einen langen roten Schnabel, seitlich eher flach und zusammengedrückt, sowie rote Beine. Die Iris der adulten Austernfischer ist leuchtend rot.
Das Brutkleid des Austernfischers zeigt schwarz an Kopf, Brust, Flügeldecken und Schulterfedern, Arm und Handschwingen, sowie ein schwarzes Endband am Schwanz. Das Körpergefieder mit dem Bauch ist weiß; im Flug zeigt der Austernfischer eine breite weite Flügelbinde (auffällig).
Das adulte Ruhekleid des Austernfischers wirkt matter, mit einem schwachen weißen Kehlband.
Juvenile Austernfischer zeigen helle bräunliche Federsäume; Schnabel ist noch dunkelbraun, jedoch mit rötlicher Basis mit grau-fleischfarbenen Füssen. Die Iris der juvenilen Austernfischer ist noch braun.
Größe: 39-44 cm (einschließlich Schnabellänge von ca. 6,5-9 cm)
Gewicht: 480 g
Spannweite: 72-83 cm
Stimme und Ruf: Der Austernfischer ist ein lauter Vogel, der sehr häufig sein weit hörbares gedehntes schrilles „biik“ hören lässt. Dazu kommen auch Rufe wie „kliklikli …..“ oder „kip-kip-kip“
Geschlechtsreife: Austernfischer werden zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr geschlechtsreif, meistens im vierten Lebensjahr.
Paarungszeit: ab April; monogam, langanhaltende Partnertreue, es wird sogar eine lebenslange Partnertreue vermutet (nachgewiesen bis zu 20 Jahre).
Nestbau: ab März
Bruten: 1 Jahresbrut der Austernfischer
Legezeit: ab Mitte März (GB) – April (Mitteleuropa)/Mai bis Ende Mai/Juni. Ausnahmebruten auch noch im Juli.
Brutzeit: März bis Juni
Nest: Bodenbrüter, das Nest besteht aus einer flachen Mulde, die mit Nistmaterial aus der Umgebung ausgekleidet sein kann (keine Regel). Dabei kann es zu sogenannten Muschelnestern kommen
Nistplatz: Nest auf Sandstränden, in Dünen, Kiesboden
Gelege: (1) 3-4(5-7) Eier.
Eier: Die Eier des Austernfischers sind lang-oval mit heller bis olivbrauner Grundfarbe und braunschwarzer oder rotbrauner oder schwarzer geschnörkelter Zeichnung.
Nachgelege: häufig Ersatzgelege bei Gelegeverlust
Legeabstand: mindestens 24 Stunden, oftmals 36-48 Stunden
Brutbeginn: überwiegend mit Ablage des letzten Ei, teilweise auch früher.
Brutdauer: 24-27 Tage, beide Altvögel brüten, bei der Brutablösung bringt der wechselnde Partner regelmäßig neues Nestmaterial mit.
Schlüpfen: meistens synchrones Schlüpfen der Jungen an einem Tag.
<>Nestlingsdauer: Austernfischer sind Nestflüchter; die Jungen der Austernfischer verlassen das Nest meistens innerhalb der ersten 6-6 Stunden, halten sich allerdings noch 2-3 Tage in Nestnähe auf und werden noch bis zu 4 Wochen gehudert. Die Altvögel führen die Jungen meistens in separate Nahrungsreviere bzw. in das Watt. Junge Austernfischer werden fünf bis sechs Wochen gefüttert, danach nimmt die Fütterung durch die Altvögel ab, wobei die Fütterungsperiode vom Nahrungsangebot abhängig ist.
Flügge: Austernfischer unternehmen ihre ersten Flugversuche im Alter von 28-31 Tagen und werden mit 32-35 Tagen flugfähig. Mit dem Flüggewerden löst sich meistens die Familie auf.
Nahrung: Zur Nahrung der Austernfischer zählen an der Küste Mollusken, Muscheln, Schnecken und Krebse, Regenwürmer (im Binnenland), Ringelwürmer und Stachelhäuter. Bei Insekten werden überwiegend Larven gefressen. Im Sommer beträgt die Nahrungsaufnahme 23-36 g Trockengewicht Muschelfleisch.
Nahrungsaufnahme: Die Nahrung wird durch Stochern mit dem langen Schnabel aus dem Boden geholt, wobei der Austernfischer den Boden mit leicht geöffnetem und schräg in den Sand gesteckten Schnabel durchpflügt. Durch den sehr spitzen Schnabel kann der Austernfischer auch Muscheln öffnen.
Lebensdauer: Die durchschnittliche Lebenserwartung der Austernfischer liegt bei 14 Jahren, die ältesten Ringfunde hatten ein Alter von 35 Jahren und 11 Monaten, weitere Ringfunde bestätigten ein Lebensalter zwischen 28-30 Jahren.
Mortalität: bis zur Geschlechtsreife liegt die Mortalität bei Austernfischern bei 714-80%.
Feinde: Mensch, Greife, Möwen
Jagdbar: Nein
Jagdzeit: Nein
Bauer, Hans-Günther, Bezzel, Einhard et. al. (HG), Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Band 1+2, Sonderausgabe 2012, Aula Verlag, Wiebelsheim
Bauer, Hans-Günther, Bezzel, Einhard et. al. (HG), Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Band 3, Literatur und Anhang, Aula Verlag Wiebelsheim, 2. vollständig überarbeitete Auflage 1993
Bezzel, Einhard, Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Non-Passeriformes, Band 1, AULA-Verlag Wiesbaden, 1985
Bruun/Singer/König/Der Kosmos Vogelführer, Franck'sche Verlagshandlung Stuttgart, 5. Auflage 1982
Glutz von Blotzheim, Urs et. al (HG), Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 6, Charadriiformes (1. Teil) , Akademische Verlagsgesllschaft Wiesbaden, 1975