Die Kornweihe gehört als Greifvogel zu den Habichtartigen und ist in Deutschland und weiten Teilen Mitteleuropas ein sehr seltener Brutvogel und teilweise auch Jahresvogel. Als Wintergast angetroffene Individuen stammen häufig aus Brutgebieten in Nord- und Osteuropa.
Die europäischen Schwerpunkte der Verbreitung liegen in Russland, Finnland und Frankreich. In Gesamt-Europa wird die Brutpopulation auf 30.000-54.000 Brutpaare geschätzt. Nur sehr wenige Brutpaare brüten in Deutschland in der Nordwestdeutschen Tiefebene und in den benachbarten Niederlanden.
Systematische Einordnung:
Ordnung: Greifvögel (Accipitriformes)
Familie: Habichtverwandte (Accipitridae)
Gattung: Weihen (Circus)
Art: Kornweihe
Beschreibung:
Wissenschaftlicher Name: Circus [cyaneus] cyaneus
Artname in Englisch: Hen Harrier
Artname in Französisch: Busard Saint Martin
Artname in Niederländisch: Blauwe Kiekendief
Artname in Finnisch: Arosuohaukka
Artname in Dänisch: Blå Kærhøg
Artname in Schwedisch: Blå kärrhök
Artname in Polnisch: Błotniak zboźowy
Artname in Russisch: Polewoi lun
Vorkommen / Verbreitung: Das Verbreitungsgebiet der Kornweihe erstreckt sich ab Nord- und Osteuropa weiter östlich bis an den Pazifik in Ostsibirien und Ost-China. In West- und Mitteleuropa ist die Kornweihe in Tieflagen mit lückiger Verbreitung zu finden.
Wanderungen: In Nord- und Nordost-Europa ist die Kornweihe Kurzstreckenzieher, ansonsten eher Standvogel mit Zerstreuungswanderungen der Jungvögel. Der Wegzug vom Brutplatz beginnt ab August, wobei der Höhepunkt im Oktober erreicht wird. Brutvögel aus Nordeuropa erreichen das Mittelmeer bis November. Aus Mitteleuropa ziehen Brutvögel noch im Januar / Februar südlich, bei Kälteeinbrüchen. Der Heimzug in die Brutquartiere beginnt bereits wieder im Februar. In Mitteleuropa erreichen die Brutvögel die Brutquartiere meistens bis Ende März.
Überwinterung: Die Winterquartiere der Kornweihe umfassen den Bereich zwischen West-, Mittel- und Südeuropa und weiter südwärts bis Nordafrika.
Lebensraum – Biotop: In Mitteleuropa besiedelt die Kornweihe Heidegebiete, Moore, Dünen, Flächen mit hohem Grundwasserspiegel, auch Waldlichtungen; weniger häufig im Kulturland mit Wiesen und Äckern. Jagdgebiete auf Grünland, Mooren, Salzwiesen und Äckern. Schlafplätze in Streuwiesen, Schilfbeständen und höherer Vegetation; auch in Baumwipfeln.
Verhalten: Kornweihen sind tagaktiv. Der Nahrungserwerb findet im niedrigen Suchflug statt, dabei schlägt die Kornweihe auch überraschende Haken und vollführt Wendungen im Flug. Die Beute wird aus der Überraschung heraus geschlagen, wobei vorhandene Deckung ausgenutzt wird. Während der Brutzeit und bei der Jagd ist die Kornweihe ± Einzelgänger.
Kennzeichen ♂ Oberseite aschgrau, ebenso Kehle und Kropfgegend. Unterseite weiß; Schwanz grau; Oberschwanzdecken weiß. Flügelspitzen sind schwarz. ♀ Oberseite bräunlich mit weißen Oberschwanzdecken; Schwanz graubraun mit dunkler Bänderung. Juv ähnelt dem ♀.
Schnabel: schwarz
Wachshaut: ad. = gelb, juv. = grünlich.
Füße: gelb
Iris: ad. = gelb (ab 3.4. Jahr)
Größe: 43-52 cm
Gewicht: 290-600 g
♂: Ø 350 g
♀: Ø 530 g
Spannweite: 99-121 cm
Flügellänge:
♂: 32,3-35,1 cm
♀: 35,8-39,2 cm
Stimme - Ruf: Pfeifendes „kwiäh“ und keckernde Laute.
Geschlechtsreife: Bei der Kornweihe tritt die Geschlechtsreife mit dem 4.-5. Lebensjahr ein.
Paarungszeit: Kornweihen gehen eine saisonale Verbindung ein. Bei Kornweihen ist außerdem die Polygynie bekannt, wobei sich ein Kornweihen ♂ mehrere ♀ mit entsprechend vielen Nestern hält und auch versorgt.
Bruten1 Jahresbrut
Eiablage - Legebeginn: In Mitteleuropa frühestens ab Mitte/Ende April, generell wird meistens erst im Mai mit der Eiablage begonnen und kann noch bis in den Juni dauern.
Brutzeit: ab Mitte April bis Ende Juni / Anfang Juli (bei Spätgelegen)
Nest: Bodennest aus trockenem Pflanzenmaterial, das innen mit feinem Material ausgekleidet wird. Das ♀ entscheidet über den Standort und baut am Nest. Das ♂ hilft mit dem Eintragen von Nestmaterial.
Neststandort - Brutrevier: In der Regel auf trockenem bis feuchtem Untergrund.
Gelege: (mindestens 3-) 4-6 (bis zu -7) Eier, größere Gelege stammen von mehreren Weibchen
Eier: rundovale Eier mit rauer Schale; mattweiße bis bläuliche Grundfarbe, teilweise mit rostroter Fleckung
Eimaße und Gewichte:
Länge: 40,0-52,0 mm
Breite: 32,0-40,0 mm; Ø 45,3x35,5 mm
Frischvollgewicht: 28-39 g
Schalengewicht: 2,1-3,2 g; Ø 2,45 g
Nachgelege: Ersatzgelege bei Brutverlust, teilweise auch bis zu 2 Ersatzgelege. Bei Nachgelegen wird ein neuer Horst angelegt. Bei Brutverlust kurz vor dem Schlüpfen erfolgt kein Ersatzgelege mehr.
Legeabstand - Legeinterval: normalerweise 48 Stunden, auch bis zu 3 Tage möglich; die Eiablage erfolgt i.d.R. vormittags.
Brutbeginn: je nach Gelegegröße setzt die Bebrütung nach dem 2., 3. Oder 4. Ei ein. Die ♀ sitzen schon früh auf dem Horst, ohne jedoch fest zu brüten.
Brutdauer: 29-30(31) Tage pro Ei, bis zu 39 Tage pro Gelege, es brütet das ♀ und wird vom ♂ versorgt.
Schlüpfen: Zwischen den ersten Lautäußerungen des Jungen im Ei und bis zum finalen Schlüpfen können bis zu 48 Stunden liegen. Entsprechend dem Legeabstand variiert somit auch das Schlüpfen der Jungen im Horst und kann zwischen 1-8 Tage dauern. So wurde bei einem 5er-Gelege ein Schlüpfabstand von 2 Tagen zwischen den ersten 3 Eiern und je einem weiteren Tag bei dem 4. und 5. Ei festgestellt (Walter in Glutz von Blotzheim, Band 4).
Nestlingsdauer - Führungszeit: bedunte Nesthocker, die in den ersten 10-15 Tagen noch vom ♀ gehudert werden, das ♂ bringt die Nahrung. Ab dem 15. Tag verlassen die Nestlinge schon kurzzeitig das Nest; 31-42 Tage für das Gelege.
Flügge: Nach dem ersten Ausfliegen sind die jungen Kornweihen noch nicht voll flugfähig und werden noch weitere 2-3 Wochen von den Altvögeln versorgt. Erst danach haben die Jungvögel die volle Flugfähigkeit erreicht.
Nahrung: Die Kornweiher ist auf Vogel- und Kleinsäugerjagd spezialisiert. Das Nahrungsspektrum ist regional und jahreszeitlich sehr unterschiedlich und an die örtliche Erreichbarkeit von Beute angepasst: Jungvögel, Wühlmäuse, junge Kaninchen, Feldmaus. Insgesamt 1093 nachgewiesene Beutetierarten.
Lebensdauer: Der älteste bekannte Ringvogel einer Kornweihe erreichte ein Alter von (mind.) 17 Jahren und einem Monat.
Mortalität - Sterblichkeit: Die Auswertung von gefundenen Ringvögeln ergab für die Kornweihe im ersten Jahr eine Sterblichkeit von 62%, danach sank die Sterblichkeit auf jährlich 28% (ermittelt in GB).
Feinde und Gefährdungen: Ein wesentlicher Gefährdungspunkt ist bei der Kornweihe die Lebensraumzerstörung bzw. Veränderung von Landschaftsräumen. Darunter fallen zum einen die tatsächliche Zerstörung von Moor- und Heidegebieten andererseits aber auch die Intensivierung in der Landwirtschaft, welche mit der Umwandlung von Kulturland in agrartechnisch einfach zu bearbeitende Großfläche einhergeht, der dann Grünland und Feuchtgebiete zum Opfer fallen. Offenbar spielen bei der Kornweihe immer noch Brutausfälle durch den Einsatz Bioziden eine Rolle, aber auch die Zerstörung von Nestern. Auch Prädatoren gefährden die Kornweihe. Dazu kommen Störungen an den Brutplätzen. Sehr stark beeinflussen geschwächte Kornweihen-Populationen auch die Rückgänge in den Mäusepopulationen und verregnete Sommer. Verluste auf den Zugwegen und im Winterquartier.
Jagdbares Wild: Ja
Jagdzeit: Nein, Schonzeit
Bauer, Hans-Günther, Bezzel, Einhard et. al. (HG), Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Band 1+2, Sonderausgabe 2012, Aula Verlag, Wiebelsheim
Bauer, Hans-Günther, Bezzel, Einhard et. al. (HG), Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Band 3, Literatur und Anhang, Aula Verlag Wiebelsheim, 2. vollständig überarbeitete Auflage 1993
Bezzel, Einhard, Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Non-Passeriformes, Band 1, AULA-Verlag Wiesbaden, 1985
Bruun/Singer/König/Der Kosmos Vogelführer, Franck'sche Verlagshandlung Stuttgart, 5. Auflage 1982
Glutz von Blotzheim, Urs et. al (HG), Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 4, Falconiformes, AULA-Verlag Wiesbaden, 2. durchgesehene Auflage 1989
Mebs, Theodor (†), Schmidt, Daniel, Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens, Franck-Kosmos Verlag Stuttgart, 2. Auflage 2014
Svenson, Lars et. al, Der Kosmos Vogelführer, Franck-Kosmos Verlag GmbH & Co. KG, Stuttgart, 2. Auflage 2011
Bundesamt für Naturschutz: Nationaler Vogelschutzbericht 2019 gemäß Artikel 12 Vogelschutzrichtlinie, Berichtsdaten aus dem Abschnitt He...Ko Brutvögel (pdf download)
Ei der Kornweihe: Attribution: Von Klaus Rassinger und Gerhard Cammerer, Museum Wiesbaden - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=38062573; File URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fb/Circus_cyaneus_MWNH_0850.JPG; Page URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Circus_cyaneus_MWNH_0850.JPG