Der Ohrengeier ist ein Altweltgeier aus der Gattung Torgos. Mit einer Körpergröße von ca. 108 cm und einem Gewicht von bis zu 6800 g gehört der Ohrengeier zu den großen Altweltgeiern. Als Geier gehört der Ohrengeier wie die großen Gänsegeier und Mönchsgeier zu den Aasfressern und Kadaververwertern.
Als Brutvogel ist der Ohrengeier inzwischen als extrem gefährdet eingestuft. Sein westpaläarktisches Vorkommen ist nur noch auf drei Stellen beschränkt:
Außerhalb der Westpaläarktis, im Westen und Süden der Arabischen Halbinsel sowie in weiten Teilen Afrikas soll der Ohrengeier dagegen noch häufiger vorkommen. Es existieren Vorkommen südlich der Sahara und bis nach Tansania und von Zimbabwe südwärts bis nach Südafrika.
Der Ohrengeier ist ein sehr großer Geier; die Flügelspannweite reicht von 250-290 cm. Er hat lange und breite Schwingen sowie einen langen Schwanz. Bei den adulten Vögeln fallen im Stehen und im Flug die weißen Läufe auf. Den langen Hals ziert ein Federkragen, wie wir ihn vom Mönchsgeier her kennen. An dieser Stelle würde eine Zuordnung zur Gattung Aegypius tatsächlich Sinn machen.
Im Flug hält der Ohrengeier die Flügel waagerecht. Sein Vorderhals und Kopf sind nackt und beim adulten Vogel ist die Haut rot. Der Hinterkopf und der obere Halsabschnitt zeigen eine runzlige, in Falten gelegte Haut, die knapp unterhalb des Kopfes wie in Lappen herunterhängt. Auf der Brust zeigt der Ohrengeier lange dunkle Federn mit Längstreifen, auf der ansonsten weißen Unterseite. Schwanz, Bürzel, Hand- und Armschwingen sind dunkelbraun. Auch die Oberflügeldecken sind dunkelbraun. Nur am Unterflügel verläuft in der Mitte der Unterflügeldecken ein langes weißes Band. Das vorige Bild zeigt die Nominatform.
Die Ohrengeier von der Arabischen Halbinsel zeigen eher dunkle Läufe und der Kopf ist beige statt rot.
Es besteht Verwechslungsgefahr mit dem Mönchsgeier.
Erst mit 6-7 Jahren wechselt der Ohrengeier in das Alterskleid.
In seinen Verbreitungsgebieten kommt der Ohrengeier in drei anerkannten Unterarten vor:
Systematische Einordnung:
Ordnung: Greifvögel (Accipitriformes)
Familie: Habichtverwandte (Accipitridae)
Gattung: Schmutzgeier (Neophron)
Art: Ohrengeier
Wissenschaftlicher Name: Torgos tracheliotos
Englisch: Lapped-faced Vulture
Französisch: Vautour oricou
Niederländisch: Oorgier
Schwedisch: Afrikansk örongam
Polnisch: Sep uszaty
Russisch: Afrikanski uschastnij grif
Vorkommen / Verbreitung: Brutvogel der Westpaläarktis. Die Vorkommen des Ohrengeiers sind nur noch vereinzelt und zwar in Nordwest-Afrika (Mauretanien), südliches Ägypten, südliches Israel, Westen und Süden der arabischen Halbinsel.
Wanderungen: Standvogel mit Zerstreuungswanderungen der Jungvögel.
Lebensraum – Biotop: Steppen- und Wüstengebiete, Gebirge. Für die Brut werden einzeln stehende Bäume benötigt.
Verhalten: Sehr dominant gegen andere Geier und Schakale an Kadavern. Nahrungsflüge werden in einem Radius von bis zu 150 km unternommen.
Kennzeichen: Sehr großer Geier, ähnlich dem Mönchsgeier. Oberseite dunkelbraun, Kopf weiß und kahl, Unterseite hell mit dunkleren Längstreifen im Brustbereich. Nackter Vorderhals. Mächtiger Schnabel. Im Flug werden die Flügel vollkommen waagerecht gehalten.
Schnabel: hornfarben.
Lauf und Fuß: grau.
Iris: dunkel.
Größe: ca. 108 cm, davon 34-38 cm Schwanzlänge
Gewicht: 6800 g
Spannweite: ca. 280 cm
Stimme - Ruf: Nicht ruffreudig, eher stumm. Bei Auseinandersetzungen an Kadavern werden zischende, fauchende und grunzende Laute geäußert.
Geschlechtsreife: Der Ohrengeier erreicht die Geschlechtsreife frühestens nach 4-5 Jahren.
Paarungszeit: Wahrscheinlich halten die Paare lebenslang zusammen.
Bruten1 Jahresbrut
Eiablage: In Nordafrika und Saudi-Arabien zwischen November und Februar, meistens ab Dezember
Brutzeit: ab November bis Mitte März.
Nest: Nest als Plattform von Ästen und Zweigen. Große Struktur mit Durchmessern von bis zu 200-250 cm; Höhe = 80 cm. Die Nestmulde kann bis zu 130 cm im Durchmesser erreichen und wird mit Gras, Dung, Fell und Haaren ausgelegt.
Neststandort - Brutrevier: Entweder in der flachen Krone von Bäumen oder an Felshängen. Alte Nester werden wieder genutzt.
Gelege: 1 Ei
Eimasse: 94x70 mm
Eigewicht: 240-244 g
Eier: länglich-oval mit stumpfen Polen, weiße Schale mit sehr dichter hellbrauner Fleckung.
Nachgelege: Nachgelege werden nur bei sehr frühem Verlust, kurz nach dem Legen.
Brutdauer: 54-56 Tage, wahrscheinlich brütet nur das ♀.
Nestlingsdauer - Führungszeit: bedunte Nesthocker, 122-136 Tage, der von beiden Altvögeln betreut und gefüttert wird.
Flügge: Nach dem Ausfliegen wird der junge Ohrengeier noch weitere 4-5 Monate von den Altvögeln betreut.
Nahrung: Fleisch, Haut und Knochenteile von Kadavern, gelegentlich auch Termiten und Heuschrecken. Bei einer Mahlzeit kann der Ohrengeier bis zu 1450 g Nahrung aufnehmen.
Lebensdauer: Das Höchstalter des Ohrengeiers liegt bei ca. 40 Jahren.
Mortalität - Sterblichkeit: Die Sterblichkeit der Jungen beträgt in den ersten drei Monaten nach dem Flüggewerden ca. 17%, für ältere Individuen.
Feinde und Gefährdungen: Illegaler Abschuss und Fang. Offenbar ist die hohe Mortalitätsrate durch die niedrige Fortpflanzungsrate nicht mehr auszugleichen.
Jagdbares Wild: Nein
Jagdzeit: Nein, Naturschutz
Ferguson-Lees, James, Christie, David, Raptors of the World, A Field Guide, Christopher Helm London, 2005, reprinted 2019
Glutz von Blotzheim, Urs et. al (HG), Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 4, Falconiformes, AULA-Verlag Wiesbaden, 2. durchgesehene Auflage 1989
Mebs, Theodor et. al, Die Greifvögel Europas, Franck-Kosmos Verlags GmbH, 2. Auflage 2014
Svenson, Lars et. al, Der Kosmos Vogelführer, Franck-Kosmos Verlag GmbH & Co. KG, Stuttgart, 2. Auflage 2011
Ei des Ohrengeiers, Attribution: Von Roger Culos - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84321075, Museum de Toulouse; File URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c7/Torgos_tracheliotus_MHNT.ZOO.2010.11.78.7.jpg; Page URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Torgos_tracheliotus_MHNT.ZOO.2010.11.78.7.jpg
Fliegender Ohrengeier: EcoPic - Agentur iStock