Der Rabengeier ist die kleinste Art der Neuweltgeier. In Brasilien wird er auch "Gallinazo" oder "Urubu" genannt; letztere Bezeichnung wurde auch in die französische und italienische Sprache übernommen. Aus seinem ursprünglichen Verbreitungsgebiet in Nordamerika hat sich der Rabengeier zum echten Kultfolger des Menschen gemausert und ist diesem, im Laufe der Besiedlung Mittel- und Südamerikas, gefolgt. Obwohl er ein Vogel der Savannen ist, finden wir den Raben in Amerika auch in den menschlichen Ballungsräumen der Metropolen.
In Europa wird der Rabengeier in Zoos und Greifvogelstationen gehalten.
Der Rabengeier ist in drei Unterarten über den amerikanischen Kontinent verbreitet:
Systematische Einordnung:
Ordnung: Greifvögel (Accipitriformes)
Familie: Habichtverwandte (Accipitridae)
Gattung: Rabengeier (Coragyps)
Art: Rabengeier
Wissenschaftlicher Name: Coragyps atratus
Englisch: Black Vulture
Französisch: Urubu noir
Niederländisch: Zwarte Gier
Italienisch: Urubù dalla testa nera
Finnisch: Mustakondori
Dänisch: Ravengrib
Schwedisch: Korpgam
Polnisch: Sępnik czarny
Russisch: Американская чёрная катарта
Vorkommen / Verbreitung: Der Rabengeier siedelt ab dem Süden der USA und weiter südwärts über Mittelamerika bis nach Südamerika, wo seine südlichste Verbreitungsgrenze entlang des 41. Breitengrad Süd verläuft (Nord-Chile im Westen und Uruguay und Argentinien im Westen von Südamerika). In den USA beginnt die Verbreitung im Westen ab den Bundesstaaten Kansas, Illinois und Maryland und erstreckt sich dann südwärts über Texas und Arizona nach Mexiko.
Wanderungen: Zerstreuungswanderungen der Jungvögel.
Lebensraum – Biotop: Rabengeier besiedeln offene, bewaldete Landschaften und folgen dem Menschen auch in seine Siedlungen. Die Verbreitungsgrenze liegt im Gebirge bei 2.700 m.
Verhalten: Der Rabengeier gilt weithin als sehr gesellig und tritt überall, auch in geschlossenen Ortschaften (besonders in Mittel- und Südamerika), in großen Trupps auf. In den Savannen und an den Rändern der Urwälder gehen die Rabengeier auf Suchflüge und suchen dabei die Gegen nach fressbaren Kadavern oder organischem Abfall ab. Wenn ein Rabengeier Aas entdeckt hat, gleitet er sofort zu betreffenden Stelle, um schon kurz danach von dutzenden seiner Artgenossen Gesellschaft zu erhalten. Berichten zufolge, sollen Rabengeier auch Fleisch aus der Hand fressen (vgl. Fischer). Beutesuche erfolgt auch von Warten wie z.B. von Bäumen oder Dächern aus. Als gesellige Vögel bilden Rabengeier auch große Schlafgesellschaften, wo teilweise bis zu 1000 Individuen beteiligt sein können.
Als echter Kulturfolger des Menschen ist der Rabengeier vor allem bei und in menschlichen Siedlungen anzutreffen, wo er die Aufgaben der Gesundheitspolizei übernimmt. Rabengeier sind nur bedingt scheu, nähern sich Menschen bis auf kurze Distanzen und tummeln sich sogar auf belebten Märkten. In südamerikanischen Großstädten wie z.B. Lima sind Rabengeier an illegalen Müllkippen zu finden, wo sie wesentlich zur Entsorgung von organischem Abfall beitragen.
Kennzeichen: Kleinste Art der Neuweltgeier. Wirkt sehr „hochbeinig“. Schwarzer Vogel mit dunkel-bleigrauem Kropf, Nacken und Kopf. Ab dem Schnabel verlaufen über den Scheitel, bis zum Nacken hintereinander, quer verlaufende Hautfalten („Querfalten“). Kurzer leicht abgerundeter Schwanz. Je nach Unterart sind die äußeren fünf Federn der Handschwingen (HS 10-6) entweder hell- oder dunkelgrau ausgefärbt. Das Alterskleid wird im vierten Lebensjahr erreicht.
Schnabel: schwarzbraun mit heller Spitze.
Läufe: hellgrau.
Iris: dunkelbraun.
Größe: 56-74 cm
Schwanzlänge: 16-21 cm
Gewicht: 1700-1900 (max. 2100) g
Spannweite: 133-160 cm
Flügellängen: 405-448 mm
Geschlechtsreife: unbekannt.
Paarungszeit: Die Paarungszeit beginnt mit der Balz im Frühling (April). Die Balz wird in den Morgenstunden durchgeführt und dauert nur wenige Minuten
Bruten1 Jahresbrut
Eiablage: ab Anfang April
Brutzeit: April bis Juni
Nest: Die Eier werden auf den nackten Boden gelegt. Aus kleinen Steinen und Zweigen wird zwar eine Art Nest gebaut, das aber eher die Wirkung eines Walls hat, denn eines echten Nestes. Dieses „Nest“ wird nur wenige Tage vor der Eiablage errichtet.
Neststandort: in Nischen.
Gelege: 2 Eier
Eier: Eier sind elliptisch mit einem spitzen und einem stumpfen Pol, bei weißer Schale, mit flüchtiger dunkler Fleckung, meistens um die stumpfe Spitze.
Eimasse und Eigewichte
Länge x Breite: 69,0x46,0 mm
Gewicht: ≈ ??? g
Nachgelege: Bei Brutverlust wird ein Ersatzgelege gezeitigt.
Legeabstand: 2 Tage.
Brutbeginn: wahrscheinlich nach Ablage des ersten Ei. Es brüten beide Altvögel. Das ♂ übernimmt während der Bebrütung die Versorgung.
Brutdauer: 41 Tage
Schlüpfen: Die Jungen schlüpfen innerhalb von 2 Tagen, also entsprechend des Legeintervals.
Nestlingsdauer - Führungszeit: bedunte Nesthocker, die von beiden Altvögeln gefüttert werden. Nach ca. 6 Wochen laufen die Jungen bereits in Nestnähe umher.
Flügge: Nach ca. 11 Wochen sind die Jungen voll flugfähig.
Nahrung: Der Rabengeier findet sich mit Vorliebe an großen Kadavern ein, wo er sogar den größeren Truthahngeier verjagt. Dazu kommen noch die Kadaver von kleineren Tieren. Bei Kleintieren wurde berichtet, daß der Rabengeier zuerst versucht, durch den Hinterkopf an das Gehirn zu gelangen und danach auch die Augen verzehrt (vgl. Fischer). Rabengeier, die in der Nähe von Vogelkolonien leben und brüten, greifen auch Eier und Jungvögel aus den Nestern der Vogelkolonien. Des weiteren werden auch organische Abfälle, Insekten und Fische angenommen. Der Rabengeier ist also in seiner Nahrungsgrundlage nur wenig anspruchsvoll und nimmt, was leicht erreichbar ist.
Lebensdauer: 10-15 Jahre, in der Gefangenschaft können Rabengeier >20 Jahre alt werden.
Mortalität - Sterblichkeit: unbekannt.
Feinde und Gefährdungen: große Greifvögel, wie Adler und Kondor.
Brown, Leslie, Die Greifvögel, Ihre Biologie und Ökologie, Paul Parey Verlag Hamburg und Berlin, 1979
Ferguson-Lees, James, Christie, David, Raptors of the World, A Field Guide, Christopher Helm London, 2005, reprinted 2019
Fischer, Wolfgang, Die Geier, Die Neue Brehm-Bücherei, A. Ziemsen Verlag Lutherstadt Wittenberg, 1963
Grzimek, Bernhard et al (HG), Grzimeks Tierleben, Band VII, Vögel 1, Kindler Verlag AG Zürich, 1968
Weick, Friedhelm, Die Greifvögel der Welt, Verlag Paul Parey Hamburg und Berlin, 1980
Ei des Rabeingeiers: Attribution: Von Klaus Rassinger und Gerhard Cammerer, Museum Wiesbaden - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=38047323; File URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dc/Coragyps_atratus_MWNH_0717.JPG; Page URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Coragyps_atratus_MWNH_0717.JPG
Rabengeier - Source: Dave Hamilton/Agentur iStock