Der Schmutzgeier (Neophron percnopterus)

 

 

Der Schmutzgeier ist in Europa nicht nur selten, mit einer Flügelspannweite von nur bis zu 180 cm und einem Maximalgewicht von 2,4 kg ist er der kleinste europäische Geier. Bei den Altvögeln des Schmutzgeiers ist das Gefieder überwiegend weiß, Handschwingen und Armschwingen sind schwarz. Hals, Nacken und Oberkopf sind mit lanzettartigen weißen Federn bewachsen. Der Schnabel des Schmutzgeiers ist gelb mit schwarzer Schnabelspitze, sein Gesicht ist ebenfalls gelb.

 

Bekannt ist der Schmutzgeier auch unter den Bezeichnungen "Alimosch", "Racham" oder "Henne der Pharaonen".

 

Als Geier gehört er zu den sogenannten Abfallsammlern, an Aas frisst er kleineres Fallwild und von den Großkadavern bekommt er die Reste, die die großen Geier übriglassen. 

 

Verbreitungsgebiet des Schmutzgeiers

 

Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Westafrika und der Iberischen Halbinsel über Südeuropa, den den östlichen Mittelmeerraum weiter über die Türkei, Vorderasien und Turkmenistan bis auf den Indischen Subkontinent. Vorkommen existieren auch auf den Kanarischen Inseln.

 

Das größte europäische Brutgebiet des Schmutzgeiers liegt in Spanien mit einem weiteren isolierten Brutvorkommen in Südfrankreich. In Spanien siedeln ungefähr 1.500 Brutpaare und stellen damit ca. 50% des gesamten europäischen Brutbestandes.

 

 

 

schmutzgeier
Schmutzgeier - Quelle: tariq sulemani/Agentur iStock

 

Artenschutz für den Schmutzgeier

 

In der Vergangenheit fiel der Schmutzgeier häufig Giftködern zum Opfer, die zur Bekämpfung von Raubwild ausgelegt worden waren. Als Endglied der Nahrungskette hatte der Schmutzgeier dann das Nachsehen. Ähnlich wie bei den großen Geiern nahmen die Bestände beim Schmutzgeier rapide ab.

 

In Folge der seit den 1980er Jahren laufenden Schutzprogrammen für Geier in Europa, wurde auch versucht, Schmutzgeier durch Auslegen von "kleindimensionierten" Futterbrocken mit Nahrung zu versorgen. Dieses scheiterte jedoch im heißen Klima der südlichen Länder, wie z.B Spanien. Ausgetrocknetes und hartes Futter nimmt der Schmutzgeier nicht an.

 

Jedoch gelang es durch die Schutzmaßnahmen für die großen Geierarten wie Mönchsgeier und Gänsegeier, den Schmutzgeier mit Nahrung zu versorgen. Als Abfallsammler frisst er die Tierkörperteile und Abfälle, die von den großen Arten übriggelassen werden. So stellen sich in den französischen Cevennen seit 1982 regelmäßig Schmutzgeier an den Futterplätzen für Mönchs- und Gänsegeier ein.

 

Inzwischen scheint sich die Situation wieder verbessert zu haben und die größten Brutgebiete der Schmutzgeier in Europa liegen in Spanien und in Südfrankreich (Cevennen). Auf der Iberischen Halbinsel ergab sich - Stand der Zählung 2019 - ein Zuwachs von 10% in der Brutpopulation, und ebenso in Frankreich.

 

 

 

Wie sieht der Schmutzgeier aus?

 

Im Gegensatz zum Bartgeier und den großen Geiern wie der Gattung Gyps oder Aegypius ist der Schmutzgeier ein eher zierlicher Vogel. Ähnlich dem Bartgeier hat der Schmutzgeier einen spitz-keilförmigen Schwanz mit 14(!) Steuerfedern. Die ersten Handschwingen sind kürzer als die mittleren Armschwingen, was zu einer leichten Auswölbung des Flügelhinterrandes führt.

 

Das Gesicht und die Wangen des Schmutzgeiers sind nackt und farbig, die Haut ist orangegelblich gefärbt. Diese Färbung setzt sich auf die Wachshaut fort, welche bis zur Schnabelmitte reicht. Der an der Spitze nach unten gebogene Schnabel ist dunkelbraun und an der Spitze schwarz. Wie für "Abfallsammler" üblich, sind beim Schmutzgeier Oberkopf, Hals, Nacken und Hals voll befiedert. An Hinterkopf und Genick beginnt eine Federkrause aus spitzen, verlängerten Federn, die in allen Kleidern getragen wird. Die Läufe sind nur bis zur halb befiedert.

 

Bei den Altvögeln (adult) des Schmutzgeiers ist das Gefieder überwiegend weiß, Handschwingen und Armschwingen sind schwarz. Juvenile und immature Schmutzgeier sind durchweg dunkel gefärbt. Hals, Brust, Bauch und Flügel sind schwarzbraun, mit einem grauen Schwanz. Das Gesicht ist aschgrau.

 

 

Steckbrief: Schmutzgeier

 

Brutzeit – Gelege – Größe – Gewicht – Nahrung – Biotop – Alter

 

Systematische Einordnung:

Ordnung: Greifvögel (Accipitriformes)

Familie: Habichtverwandte (Accipitridae)

Gattung: Schmutzgeier (Neophron)

Art: Schmutzgeier

 

Wissenschaftlicher Name: Neophron percnopterus

 

Namen und Synonyme des Schmutzgeiers

 

Englisch: Egyptian Vulture

Französisch: Vautour percnoptère

Niederländisch: Aasgier

Schwedisch: Smutsgam

Spanisch: Alimoche Común

Portugiesisch: Britango

Dänisch: Ådselgrib

Schwedisch: Smutsgam

Polnisch: Ścierwnik

Russisch: Sterwjatnik

Arabisch: الرخمة, الرخمة المصرية

Bengali: ধলা শকুন

Persisch: کرکس مصری , کرکس مصری (کوچک)

Sotho: सेतो गिद्ध

Zulu: uPhalane

 

Beschreibung des Schmutzgeiers

 

Vorkommen / Verbreitung: Die globale Verbreitung des Schmutzgeiers erstreckt sich lückenhaft über Nordafrika, Sahara und bis in die Sahelzone, Ostafrika. Südeuropa; Vorderasien und von dort bis nach Turkmenistan, Zentralasien und Indien; im Süden der Arabischen Halbinsel. Wichtigster europäischer Brutbestand in Spanien.

 

Wanderungen: Die südeuropäischen Brutbestände sind Zugvögel, Brutvögel aus Vorderasien sind meistens Teilzieher, während die Brutvögel Afrikas und der atlantischen Inseln Standvögel sind. Im Herbst erfolgt der Wegzug über die Kontenpunkte Gibraltar, Bosporus und Südost-Türkei. Der Heimzug im Frühjahr erfolgt über die Knotenpunkte Cap Bon und Eilat. Im Herbst beginnt der Wegzug ab Ende August und erreicht seinen Höhepunkt bis Anfang September wobei Nachzügler noch bis in den Oktober ziehen. Der Heimzug aus Afrika beginnt ab Februar. In Spanien erreichen die ersten Zugvögel ihre Brutreviere ab Mitte Februar, in Südfrankreich bis Anfang März.

 

Überwinterung Die Winterquartiere des Schmutzgeiers reichen von Nordafrika südwärts bis zum Südrand der Sahara und liegen auch auf der Arabischen Halbinsel und teilweise sogar in Indien.

 

Lebensraum – Biotop: Offene Landschaften, kahle Berghänge mit Felswänden, Flusstäler mit felsigen Ufern; auch in der Nähe von Siedlungen und an Mülldeponien; wüstenartige Landschaften.

 

Verhalten: Der Schmutzgeier ist tagaktiv. Guter Segelflieger mit rasantem Horizontalflug. Die Suchflüge werden am frühen Vormittag begonnen, die Suchflüge können bis zu 5 Stunden dauern. Der Schmutzgeier ist für seine Suchflüge auf eine hohe Lichtintensität angewiesen, was bei trüben oder schlechtem Wetter zur Inaktivität führt. Einzelbrüter und während der Brutzeit sehr territorial. Der Schmutzgeier besucht gelbliche Suhlen, um das Gefieder einzufärben.

 

Der Schmutzgeier gehört zu den Abfallsammlern und ist in seiner Flugaktivität nicht so stark von der Thermik abhängig wie die größeren Mönchsgeier und Gänsegeier mit ihren beachtlichen Flügelgrößen. Die Aktivitätsphase des Schmutzgeiers ist mit 5 Stunden recht kurz. Dabei sind nicht die Thermikverhältnisse für seine Flüge von Bedeutung, sondern das Vorhandensein einer hohen Lichtintensität. Bei trüben Wetter sind Schmztzgeier daher eher inaktiv.

 

Kennzeichen: Die Altvögel sind überwiegend weiß; Arm- und Handschwingen schwarz; Ober- und Unterflügeldecken sind weiß. Der Kopf ist nackt und orange-gelblich gefärbt. Juv. und imm. Individuen dunkelbraun, nackte Hautteile am Kopf sind schmutzig-fleischfarben. Schwanz ist keilförmig; das Flugbild erinnert an den Bartgeier. Legt erst im 6. Lebensjahr das adulte Alterskleid an.

 

Schnabel: dunkelbraun mit schwarzer Spitze.

Wachshaut und Gesicht: ad. = gelb bis orange; juv. = grau

 

Füße: ad. = fleischfarben oder gelb; juv. = grau.

 

Iris: ad. = rotbraun; juv. = braun.

 

Größe: 58-70 cm

Gewicht: 1600-2400 g, Ø: 2100 g

Spannweite: 155-180 cm

Flügellänge:

♂: 48,6-51,6 cm

♀: 48,0-51,4 cm

 

Stimme - Ruf: Nicht sehr ruffreudig. Erregungsrufe sind miauende, zischende oder grunzende Laute. Trillerndes „gigi …2 oder „gegege“.

 

Geschlechtsreife: Beim Schmutzgeier tritt die Geschlechtsreife erst im 4.-5. Lebensjahr ein.

Paarungszeit: meistens lebenslange Dauerverbindung. Die Kopulationen beginnen 25 Tage vor der Eiablage bei 9 Kopulationen pro Tag.

 

Bruten1 Jahresbrut

Eiablage: In Südeuropa ab Ende April bis Anfang Mai

Brutzeit: Ende April bis Ende Juni

 

Nest: Das Nest ist eine Anhäufung von Zweigen und Materialien aus der Umgebung, so werden selbst Wolle, Tierhäute und Nahrungsreste aller Art in die Nestplattform integriert.

Neststandort - Brutrevier: Neststandort meistens in Fels- oder Erdwänden, auch in Halbhöhlen. Freier Ausblick auf die Umgebung ist wesentlich. Selten Baumnester.

 

schmutzgeier ei museum wiesbaden common license
Ei des Schmutzgeiers, Attribution: Von Klaus Rassinger und Gerhard Cammerer, Museum Wiesbaden - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=38047945 - siehe Bildnachweise

 

Gelege: in der Regel 2 Eier

 

Eier: breitoval bis elliptische Eier mit glanzloser Schale. Grundfarbe hell mit braunen bis dunklen Flecken.

 

Eimasse und Eigewichte:

Länge: 58,2-76,4 mm

Breite: 43,0-56,1 mm; Ø 66,2x50,0 mm

Schalengewicht: 6,7-12,2 g; Ø 8,9 g

Frischvollgewicht: 81,5—97,0 g; Ø 94,0 g

 

Nachgelege: Ersatzgelege bei Brutverlust möglich.

 

Legeabstand: 2-4 Tage.

 

Brutbeginn: Nach Ablage des ersten Ei.

Brutdauer: 42 Tage pro Ei, es brüten beide Altvögel

Schlüpfen: ???.

 

Nestlingsdauer - Führungszeit: bedunte Nesthocker, die Jungen werden lange gehudert; beide Altvögel füttern. Nestlingszeit 70-90 Tage. In den meisten Fällen wird nur 1 Junges flügge.

 

Flügge: Nach dem Ausfliegen zwischen Ende Juli und Ende August bleibt der Familienverband von über mehrere Wochen zusammen. Bettelflugperiode dauert 9-34 Tage.

 

 

Nahrung: Der Schmutzgeier ernährt sich von Abfällen aller Art, selbst Kot wird aufgenommen. Daneben werden Kleintiere, faules Obst, Großinsekten sowie Reptilien und Amphibien aufgenommen. Beim Aas werden Fallwild, kleine Wirbeltiere und die Reste von Großtierkadavern verzehrt.

 

Lebensdauer: Der älteste bekannte Schmutzgeier erreicht ein Alter von > 37 Jahren (Zoo Tel Aviv).

 

Mortalität - Sterblichkeit: Die Überlebensrate von subadulten Schmutzgeiern, bis zum 4. Lebensjahr, liegt bei 18,6%.

 

Feinde und Gefährdungen: Direkte Verfolgung im Verbreitungsgebiet (Abschuss und Vergiftung), tödliche Kollisionen mit Freileitungen, Verluste auf dem Zug und im Winterquartier.

 

Jagdbares Wild: Nein

Jagdzeit: Nein, Naturschutz

 

 

Quellennachweise

 

Bauer, Hans-Günther, Bezzel, Einhard et. al. (HG), Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Band 1+2, Sonderausgabe 2012, Aula Verlag, Wiebelsheim

Bauer, Hans-Günther, Bezzel, Einhard et. al. (HG), Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Band 3, Literatur und Anhang, Aula Verlag Wiebelsheim, 2. vollständig überarbeitete Auflage 1993

Baumgart, Wolfgang, Europas Geier, Flugriesen im Aufwind, AULA-Verlag Wiebelsheim, 2001

Bezzel, Einhard, Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Non-Passeriformes, Band 1, AULA-Verlag Wiesbaden, 1985

Bruun/Singer/König/Der Kosmos Vogelführer, Franck'sche Verlagshandlung Stuttgart, 5. Auflage 1982

Glutz von Blotzheim, Urs et. al (HG), Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 4, Falconiformes, AULA-Verlag Wiesbaden, 2. durchgesehene Auflage 1989

Mebs, Theodor et. al, Die Greifvögel Europas, Franck-Kosmos Verlags GmbH, 2. Auflage 2014

Svenson, Lars et. al, Der Kosmos Vogelführer, Franck-Kosmos Verlag GmbH & Co. KG, Stuttgart, 2. Auflage 2011

 

Weiterführende Links

 

Vultures Conservation Foundation - European Vulture Protection and Conservation

 

 

Bildnachweise

 

Ei des Schmutzgeiers, Attribution: Von Klaus Rassinger und Gerhard Cammerer, Museum Wiesbaden - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=38047945

Schmutzgeier - Quelle: tariq sulemani/Agentur iStock