Der Schreiadler gehört zu den kleineren Adlern der Gattung Aquila und ist im Größenvergleich erheblich kleiner als der Steinadler und nur wenig kleiner als der Kaiseradler. Sein Hauptverbreitungsgebiet liegt in Mittel- und Osteuropa und erstreckt sich bis nach West-Russland.
In Deutschland kommt der Schreiadler in Mecklenburg-Vorpommern, in Brandenburg und im Harz vor. In Europa wird der Bestand des Schreiadlers auf 14.000-19.000 Brutpaare geschätzt, was ca. 95% des gesamten Weltbestandes ausmacht.
Systematische Einordnung:
Ordnung: Greifvögel (Accipitriformes)
Familie: Habichtverwandte (Accipitridae)
Gattung: Altweltgeier (Gyps)
Art: Schreiadler
Beschreibung:
Wissenschaftlicher Name: Aquila [clanga] pomarina
Artname in Englisch: Lesser Spotted Eagle
Artname in Französisch: Aigle pomarin
Artname in Niederländisch: Schreeuwarend
Artname in Finnisch: Pikkukiljukotka
Artname in Dänisch: Lilli Skrigeørn
Artname in Schwedisch: Mindre skrikörn
Artname in Polnisch: Orlik krzykliwy
Artname in Russisch: Malyi podornik
Vorkommen / Verbreitung: Der Schreiadler ist nur in einem kleinen Areal der Westpaläarktis verbreitet, welches sich fast ausschließlich in Europa befindet. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Mitteleuropa ostwärts, in ganzer Breite über Baltikum und Griechenland bis nach West-Russland und endet dort ungefähr am 35. Längengrad Ost.
In Deutschland kommt der Schreiadler im Harz, in Brandenburg (Uckermark) und in Mecklenburg-Vorpommern als Brutvogel vor.
Wanderungen: In seinem europäischen Verbreitungsgebiet ist der Schreiadler Brut- und Sommervogel und zieht als Langstreckenzieher in die Winterquartiere. Der Hauptzugweg in die Winterquartiere liegt in Richtung Südost und Süd.
Überwinterung: Die Winterquartiere des Schreiadlers erstrecken sich ab Ost-Afrika, über den Äquator bis nach Süd-Afrika. Nur in Ausnahmefällen werden Schreiadler im Winter auch im Mittelmeerraum beobachtet, was dazu führt, daß die meisten Durchzügler im östlichen Mittelmeer beobachtet werden können. Zugbeobachtungen sind zwischen Nord-Italien und dem nördlichen Georgien möglich, wobei ungefähr über 1.500 Individuen auch über den Bosporus als Knotenpunkt ziehen. Der Abzug in die Winterquartiere beginnt in Mitteleuropa ab Mitte August bis Mitte September und erreicht seinen Höhepunkt im September am Bosporus. Der Heimzug in die Brutreviere beginnt zwischen Ende März und Anfang April. Die Brutplätze in Mitteleuropa werden zwischen Mitte und Ende April erreicht. Die Mittlere Zuggeschwindigkeit beträgt 139 km pro Tag, mit Maxima von bis zu 178 km pro Tag. Die weiteste Zugentfernung beträgt 1650 km in 4 Tagen
Lebensraum – Biotop: Der Schreiadler brütet in Waldgebieten, wobei naturnahe, feuchte Niederungswälder bevorzugt werden (so z.B. im Ostteil der Norddeutschen Tiefebene); jedoch werden z.B. in den Karpaten auch Bergwälder als Brutreviere genommen. Das Jagdrevier befindet sich an Waldrändern, Waldlichtungen oder auch in der offenen Landschaft.
Siedlungsdichte: Unter günstigen Bedingungen können im Mittel 11,5-16 Brutpaare pro 100 km² verzeichnet werden (z.B. im Baltikum und in Polen). Der minimale Horstabstand zum Nachbarrevier kann teilweise nur 400 m betragen. In offenen Kulturlandschaften fällt die Siedlungsdichte auf einen Wert von 1,3-1,4 Brutpaare pro 100 km²
Verhalten: Der Schreiadler ist tagaktiv. Guter Segler. Im Segelflug werden die Flügel nach unten durchgebogen und die Handflügel hängen ebenfalls herunter. Im aktiven Ruderflug werden die Flügel bis nach unten durchgeschlagen. Jagd vom Ansitz, aus dem gleitenden Suchflug und aus der Bodenjagd heraus. Während der Brutzeit sind Schreiadler territorial, versammeln sich außerhalb der Brutzeit auch zu kleineren Trupps.
Kennzeichen: Im Größenverhältnis ist der Schreiadler deutlich kleiner als der Steinadler und nur geringfügig kleiner als der Kaiseradler und ähnelt eher dem Schelladler. Im Flug sind breite Flügel zu sehen, die sich zur Handschwinge hin nicht verengen, d.h. bis zur gefächerten Handschwinge ist der Flügelrand durchgehend gerade. Im Korpus schlanker als Schelladler. Mittellanger Schwanz mit deutlicher Rundung (im Flug).
Adultes Kleid: Kopf, Nacken und kleine Flügeldecken variieren zwischen graubraun und gelbbraun und deutlich abgesetzt gegen den dunklen Rücken, Schwanz und die schwarzbraunen Schwingen. An der Handschwingen-Basis kleiner heller Fleck (hell bis weiß). Schmales helles Band auf den Oberschwanzdecken. Unterseite heller gefärbt als Schwingen und Schwanz.
Juveniles Kleid: Gefiederfärbung = schokoladenbraun mit hellem Nackenfleck. Im Flug ist auf der Oberseite der Oberschwanzdecken ein helles bis weißen U zu erkennen; weißer an der Handschwingenbasis, helles Fleckenband auf den Handdecken und Großen Armdecken, sowie eine zweite helle Fleckenreihe, die auf den Oberflügeldecken verläuft. Unterseite dunkel.
Schnabel: dunkel
Wachshaut: gelb.
Füße: gelb
Iris: ad. = bernsteingelb
Größe: 57-66 cm
Gewicht:
♂: 1100-1500 g
♀: 1300-2100 g
Spannweite: 134-170 cm
♂ Ø: 145 cm
♀ Ø: 160 cm
Flügellänge:
♂: 44,6-47,8 cm
♀: 46,9-50,5 cm
Stimme - Ruf: Im Brutgebiet ist das Brutpaar ruffreudig mit Rufen wie „tjück“ als Einzel- oder Reihenrufe. Langgezogener Pfiff als Warnruf. Bettelruf der Jungen (Lahnen) ähnlich „psip“.
Geschlechtsreife: Beim Schreiadler tritt die Geschlechtsreife mit dem 3.-4. Lebensjahr ein.
Paarungszeit: monogame Dauerverbindung wird angenommen. Bei Neuverpaarung beginnen Balz und Verpaarung direkt nach Ankunft im Brutrevier; in der ersten Aprilhälfte
Bruten: 1 Jahresbrut
Eiablage: In Mittel- und Osteuropa frühestens ab Ende April bis Anfang Mai.
Brutzeit: Ende April bis spätestens Ende Juni
Nest: Großer Nestbau aus Ästen und Zweigen, meistens wird als Grundlage ein alter Greifvogelhorst genommen (gerne vom Bussard). Der Horst wird mit grünen Zweigen ausgelegt. Beide Altvögel bauen am Nest.
Neststandort - Brutrevier: Der Horst befindet sich in großen alten Laub- oder Nadelbäumen, in der Waldrandzone. In Ausnahmefällen kommt es auch zu Bodenbruten.
Gelege: 1-2 (selten bis 3) Eier
Eier: breitoval mit weißer Schale; Fleckung braun oder violett .
Nachgelege: Ersatzgelege bei Brutverlust möglich, aber selten.
Legeabstand - Legeinterval: 3-4 Tage, teilweise auch bis zu 6 Tage.
Brutbeginn: Nach Ablage des ersten Ei.
Brutdauer: 37-41 Tage, es brüten beide Altvögel, überwiegend jedoch das ♀. Das ♂ löst immer nur kurzfristig nach der Beuteübergabe ab.
Schlüpfen: Die Jungen schlüpfen entsprechend des Legeintervalls überwiegend im Abstand von 3-4 Tagen. Das Nesthäkchen (Abel) geht fast immer zugrunde, da es von den älteren Jungen bekämpft und unterdrückt wird (sog. „Kainismus“).
Nestlingsdauer - Führungszeit: bedunte Nesthocker, die in den ersten 14 Tagen noch vom ♀ gehudert werden. Die Altvögel greifen in keiner Weise in die Kämpfe der Jungen ein. Das Aggressionsverhalten der Jungen erlischt ca. nach Ende der vierten Woche. In fast allen bekannten Fällen, kommt nur noch ein Junges zum Ausfliegen. Nach ca. 58 Tagen verlässt der Jungadler den Horst.
Flügge: Nach dem Verlassen des Horstes ist der Jungadler flugfähig, wird aber noch weitere 3-4 Wochen von den Altvögeln betreut und mit Nahrung versorgt. In der Regel zieht der Jungadler noch vor den Altvögeln in das Winterquartier.
Nahrung: Kleinsäuger, Vögel, gelegentlich auch Reptilien, Amphibien, Großinsekten (vor allem im Winterquartier), Aas. Es wird auch anderen Greifvögeln die Beute abgejagt (Kleptoparasitismus). Bei den Kleinsäugern finden sich als Beute Wühlmäuse, Waldmäuse, Maulwurf, Spitzmaus, Ratten, Ziesel, Hamster. Desweiteren schlägt der Schreiadler Hasen bis zur Junghasengröße, Kaninchen, noch nicht voll flugfähige Jungvögel und Bodenbrüter.
Lebensdauer: Der älteste bekannte Ringvogel eines Schreiadlers erreichte ein Alter von 26 Jahren, in Gefangenschaft wahrscheinlich älter.
Mortalität - Sterblichkeit: bisher liegen keine Erkenntnisse vor.
Feinde und Gefährdungen: Jagd in den Durchzugsgebieten, besonders in Syrien und im Libanon. Vernichtung von Bruthabitaten durch Abholzung von Waldbeständen, Umwandlung von strukturierter Landschaft in Agrarsteppen. Störung an den Brutplätzen.
Jagdbares Wild: Nein
Jagdzeit: Nein, Naturschutz
Bauer, Hans-Günther, Bezzel, Einhard et. al. (HG), Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Band 1+2, Sonderausgabe 2012, Aula Verlag, Wiebelsheim
Bauer, Hans-Günther, Bezzel, Einhard et. al. (HG), Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Band 3, Literatur und Anhang, Aula Verlag Wiebelsheim, 2. vollständig überarbeitete Auflage 1993
Bezzel, Einhard, Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Non-Passeriformes, Band 1, AULA-Verlag Wiesbaden, 1985
Bruun/Singer/König/Der Kosmos Vogelführer, Franck'sche Verlagshandlung Stuttgart, 5. Auflage 1982
Glutz von Blotzheim, Urs et. al (HG), Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 4, Falconiformes, AULA-Verlag Wiesbaden, 2. durchgesehene Auflage 1989
Mebs, Theodor (†), Schmidt, Daniel, Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens, Franck-Kosmos Verlag Stuttgart, 2. Auflage 2014
Svenson, Lars et. al, Der Kosmos Vogelführer, Franck-Kosmos Verlag GmbH & Co. KG, Stuttgart, 2. Auflage 2011
Ei des Schreiadler: Attribution: Klaus Rassinger und Gerhard Cammerer, Museum Wiesbaden, CC BY-SA 3.0 <Ei des Schreiadler https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons;